PROJEKTREPORTAGE

UK14, Kassel

crep D, Kassel

Foto: Werner Huthmacher

Zusammenkommen

  • Text: Mona Hoffmann-Schwabe
  • Fotos: Werner Huthmacher

Kassel – die Untere Karlsstraße wird im kollektiven Bewusstsein durch den stark frequentierten Königsplatz überlagert und legt erst auf den zweiten Blick ihre kulturelle Diversität und Atmosphäre offen. Dort ist das Bestandsgebäude mit der Hausnummer 14 – ein vom Architekten Paul Bode entworfener Obst- und Gemüsegroßhandel aus den 1950er Jahren, der aus einem dreigeschossigen Verwaltungsbau mit flachem Walmdach und einer Lagerhalle besteht – vom Kassler Architekturbüro crep D in enger Zusammenarbeit mit einer privaten Bauherrschaft in einen Kultur- und Veranstaltungsort sowie einen Firmen- und Stiftungssitz umgebaut worden. Der Komplex wurde im März 2020 fertiggestellt.

Bereits 2012 wurde mit der documenta 13 die Bestandsstruktur des nicht denkmalgeschützten Baus in einen kulturellen Kontext gesetzt und die Räumlichkeiten durch Künstlerinnen und Künstler interpretiert und transformiert. Diesen gemeinschaftlichen und kulturellen Charakter trägt das neue Raumkonzept der UK14 nun weiter, erzählt der verantwortliche Architekt Reinhard Paulun: den Bestand annehmen, bewahren, auf seine Leistungsfähigkeit hin überprüfen und Grundrissstrukturen durch die Umnutzung neu interpretieren.

Diese Aspekte bildeten die Grundlage in der Auseinandersetzung mit dem Gebäudeensemble. Diese Haltung zeigt sich schon beim Herantreten an die Fassade. Die gliedernde, äußere Stahlbetonskelettstruktur wurde in ihren Grundelementen erhalten, aufgedämmt und stärker zum Stadtraum geöffnet. Die Fassade in Riemchenklinker ist in ihrer Farbigkeit und Tektonik eine Reminiszenz an den Bestand und erinnert mit dem neu ergänzten Laternengeschoss, das unter Berücksichtigung der Lastreserven des Bestandes in einer leichten Holz-Stahl-Konstruktion ausgeführt wurde, an die Materialität sowie architektonische Sprache der fünfziger Jahre.

Das trichterähnliche Raumgefüge im Grundriss des Erdgeschosses spült das Publikum förmlich hinein in sein Inneres, wo sich über das Atrium ein Werkstattatelier, ein Theatersaal und der Zugang zu weiteren Veranstaltungsräumen im Untergeschoss öffentlich erschließen. Die Zugänglichkeit vom Stadtraum, zeigt sich in dreigeteilten Eingangssituation: Die kleine Eingangstür führt über einen Erschließungskern in die Verwaltungsräume der oberen Ebenen und sichert mit einem Aufzug die barrierefreie Zugänglichkeit aller Geschosse. Das rechte der beiden Eingangstore sowie gläserne Faltelemente, öffnen das Werkstattatelier raumlabor, ein operatives Projekt der dort ansässigen WELL being Stiftung für Nachwuchsförderung, zum Straßenraum und schaffen so eine Interaktion zwischen innen und außen. Das mittig liegende Eingangstor, das an die blauen Falttore des einstigen Obst- und Gemüsegroßhandels erinnert, zieht die Besucher in das Gebäude hinein und komplettiert die Dreiteilung.

Das überhöhte Erdgeschoss zeigt sich in seiner Atmosphäre und Materialität in der Sprache seiner Entstehungszeit. Neben der im Inneren sichtbaren Stahlbetonskelettkonstruktion, ausgefacht mit abgestrahltem, rohem Ziegel und sanft ergänzt durch eben diesen, ist auch die Bestandsrippendecke aufbereitet und ablesbar. Nicht nur als Raum des Ankommens dient die Passage im Erdgeschoss, sondern auch als Verteiler in das rechter Hand liegende Werkstattatelier sowie als Schleuse in das darauffolgende Atrium, die ehemalige Lagerhalle.

Eine Empore verbindet die Verwaltungsräume sowie das Werkstattatelier über eine gemeinsame Bibliothek miteinander. Tritt man unter ihr hindurch, weitet sich die Halle in ein überhöhtes Raumvolumen, das über zwei Oberlichter und die Öffnung der Fassade belichtet wird. Sie bieten Ein- und Ausblicke in die Umgebung. Das raumgliedernde Stützenraster, ist auch hier ein wesentliches Gestaltungselement. Die konisch zulaufenden Stützen, zeigen die damalige Materialknappheit. Mit einem leichten Vorhang lässt sich der Raum flexibel und nach Nutzungsbedarf weiter untergliedern. Ein textiler Wandbelag unterstützt die Raumakustik. Auch der Theatersaal bietet über verschiebbare Wandelemente sowie einen mobilen Sitzbereich eine variable Aneignung des Raumes. Als großzügige Spielfläche oder aber unterteilt in Atelier und Seminarraum, sind unterschiedliche Aktivitäten der im UK14 angesiedelten pädagogischen Einrichtungen, wie etwa das Schultheaterzentrum Nordhessen, möglich.

Die halböffentlichen Nutzungen in den darüberliegenden Geschossen dienen der Verwaltung der Stiftung sowie, ganz oben mit Blick über die Dächer Kassels, als offener Co-Working-Bereich mit Arbeitsplätzen für geförderte Stiftungsprojekte. Durch Eingriffe in die bestehende Grundrissstruktur, flexible Raumelemente – wie etwa Schieben aus Kunststofffilz, Regalsystemen in der Fassade zum Straßenraum, einer als Trennung zwischen Erschließungsfläche und Bürobereich dienenden Wand sowie der Aufweitung der Treppe zu Sitzstufen – und einen offenen Luftraum als innere, geschossübergreifende Erschließung des Laternengeschosses, wurde eine zeitgemäße Bürostruktur gebildet. Diese bietet dem gemeinschaftlichen, kommunikativen, aber auch individuellen Arbeiten Raum.

Die atmosphärische und pragmatische Funktionsarchitektur, wurde durch rücksichtsvolle Eingriffe in Materialität und Grundrissstruktur in ein vielschichtiges Raumkonzept überführt. Die UK14 ist ein Ort für das generationsübergreifende Zusammenkommen der Stadtgesellschaft von Kassel. In ihrer Architektur ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Bestand und das Weitertragen der vorhandenen Strukturen in eine nachhaltige und soziokulturelle Zukunft ablesbar.

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Architekten

crep D Architekten

crep-d.com

Humboldtstraße 4, 34117 Kassel

crep D Architekten Das Büro crep D Architekten wurde 1992 in Kassel gegründet. Ein Team aus vier Partnern und acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bearbeitet von Südhessen bis Niedersachsen Projekte unterschiedlicher Tätigkeitsfelder. Bauen im Bestand oder Neubau, öffentlich oder privat, Kultur-, Bildungs-, Wohnungsbau oder museale Gestaltung: Alle Projekte, gleich welchen Maßstabs, werden mit derselben Aufmerksamkeit und Sorgfalt bearbeitet. Das neue Kinder- und Jugendtheater UK14 kam auf die Shortlist „Vorbildliche Bauten im Land Hessen 2020“ der Architektenkammer Hessen.

Projekte (Auswahl)

2020 Kinder- und Jugendtheater UK 14, Kassel

2019 Klostermuseum, Bad Emstal-Merxhausen

2000 Umgestaltung und Sanierung des Hauptbahnhofs zum Kulturbahnhof, Kassel

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