- Autor: Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur Bauwelt
Zeit ist das wahre Maß für die Messung von Entfernungen, die Menschen zurücklegen. Dabei wird das Verkehrsmittel meist dem Zeitkontingent angepasst. In einer Stunde reise ich mit dem Flugzeug von Berlin nach Frankfurt, mit dem Zug erreiche ich Wolfsburg, mit dem Autoschaffe ich es in dieser Zeit innerhalb von Berlin meist nur bis zum Büro. Emissionen, die bei der Nutzung des selbstgewählten Verkehrsmittels entstehen, werden schon bald ökonomisch limitiert sein. Es wird sich nicht mehr rechnen, mit dem Flugzeug von Berlin nach München zu fliegen. Wenn aber die emissionsintensive Mobilität sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft zu teuer wird, lohnt das Nachdenken über alternative Verkehrsmittel. Wie weit komme ich zu Fuß oder mit dem Fahrrad in einer Viertelstunde? Wie weit komme ich in dieser Zeitspanne mit Bus und Bahn? Die polyzentrische Stadt mit Quartieren, die aufgrund ihrer Nutzungsvielfalt und Mischung die Bewegung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV als einzig sinnvolle Möglichkeit erscheinen lassen, wird zum Vorbild für den Städtebau und der Architektur. Welche Bausteine benötige ich dafür? Was muss sich bei uns Menschen im Bewusstsein ändern, um es auf Gebautes anzuwenden?
Gefordert sind öffentliche Räume, die die soziale Interaktion im Raum fördern. Das Metropolenhaus von bfstudio-architekten aus Berlin erlaubt Einblicke in das Geschehen hinter der Fassade. In Brüssel wird der ehemalige Güterbahnhof Gare Maritime zum Magneten für die Stadtgesellschaft. Das Besondere liegt in der Maßstabsveränderung: Zuvor riesige Dimensionen, heute multifunktionale, kleinteilige Nutzungen. Das ist gelungen ohne die Identität des ehemaligen Warenumschlagplatzes zu zerstören. Und schließlich Kassel. Paul Bode, Kassels Architekt der 50er, 60er und 70er Jahre schuf einen Ort für den Obst- und Gemüsegroßhandel, dessen Zukunft ungewiss war, denn das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz. Die Architekten crep D schufen dort nun eine Kulturstätte für Kinder. Die „15-Minuten-Stadt“ ist viel mehr als ein städtebauliches Mobilitätskonzept. Ist sie gut gemacht, schafft sie Identität mit dem eigenen Kiez, dem Quartier, dem öffentlichen Raum vor der eigenen Tür und letztendlich mit der ganzen Stadt.
Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur Bauwelt